Foto: Sotheby’s
Die ultimative Rarität: Wertvollster Wein aller Zeiten
Mit einem Auktionspreis von 558.000 US-Dollar für eine reguläre 750ml-Flasche ist der 1945er Romanée Conti vom gleichnamigen Produzenten der teuerste Wein der Welt. Bezahlt wurde die Rekordsumme am 13. Oktober 2018 auf einer Sotheby’s-Auktion in New York von einem anonymen Privatsammler aus Asien.
Minuten später legte ein US-amerikanischer Kollektor 496.000 Dollar auf den Tisch, um eine zweite Flasche zu ergattern. Sollte der burgundische König aller Könige der Rotweinwelt jemals getrunken werden, muss der Gastgeber pro Glas rund 100.000 Dollar einplanen. Aber wie können ein paar Tropfen alten Traubensafts teurer als ein schönes Eigenheim werden?
Der unvorstellbare Preis resultiert aus der enormen Rarität des 1945er-Jahrgangs, von dem insgesamt nur 600 Flaschen produziert wurden, einer perfekten Historie, der sagenumwobenen Lage seines Weinbergs im nördlichen Burgund und dem beispiellosen Ansehen seines Produzenten.
Auch in „normalen“ Jahrgängen gilt die Domaine de la Romanée-Conti, die Vinophilen auf dem gesamten Globus schon bei der Aussprache ihres Kürzels DRC Gänsehaut beschert, als prestigeträchtigstes Weingut der Erde.
Kleine Spitzenlage mit großer Geschichte
Die bewegte Geschichte der Domaine reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück und wurde, ebenso wie die Geheimnisse der lokalen Weinproduktion durch viele Generationen von Mönchen, penibel dokumentiert. Nachdem Herzog Hugo II. von Burgund dem Kloster Saint-Vivant am 13. November 1131 wichtige Landstücke rund um die heutigen Dörfer Flagey-Echézeaux und Vosne-Romanée vermacht, die sich an der Côte de Nuits im nördlichsten Teil des Burgunds befinden, erwirbt die Abtei im Jahr 1232 den heutigen Weinberg.
Nach verschiedenen Besitzern wird das Landstück mit dem damaligen Namen „Le Cloux des Cinq Journaux“ Gegenstand eines Bieterwettstreits zwischen Madame de Pompadour, der Mätresse Ludwigs XV., und ihrem erbittertem Feind Louis François de Bourbon, dem Prinzen von Conti. Letzterer erhält den Zuschlag für einen unfassbaren Preis von 8.000 Livres. Zu diesem erwirbt der Prinz das gesamte Weingut, zu dem neben der Top-Lage noch umliegende Felder in erstklassiger Ausrichtung gehören.
30 Jahre später wird der stolze Besitzer durch die Französische Revolution enteignet und das gesamte Weingut inklusive des 1,81 Hektar großen Spitzen-Grundstücks beschlagnahmt. Fortan erlangt es unter dem Namen „Romanée-Conti“ Berühmtheit. Ende des 19. Jahrhunderts erbt die Familie de Villaine das Weingut und verhilft der „Domaine de la Romanée-Conti“ bis heute zu ihrem konkurrenzlosen Renommee.
DRC: Synonym für ikonische Weltklasse-Weine
Seit 1974 repräsentiert der Winzer und Mitinhaber Aubert de Villaine das Gut und verantwortet eine kleine Produktion von immensem Wert. Neben dem Aushängeschild und Spitzenwein „Romanée-Conti“ produziert die DRC noch Rotweine von fünf anderen Grand Cru Lagen sowie einen Chardonnay aus der legendären Weißwein-Lage Montrachet.
Das Verhältnis von winzigem Angebot und riesiger globaler Nachfrage lässt die Preise aller DRC-Weine ins Unermessliche steigen, angeführt vom teuersten Produkt des Hauses, dem Romanée-Conti. Trotz seiner liebenswerten, bodenständigen Art hat Aubert de Villaine, der seine Spitzenweine am liebsten viel mehr Menschen als dem elitären Kreis seiner Kunden anbieten würde, keine Wahl: Alle Weine der Domaine werden durch ein exklusives Zuteilungssystem über eine Handvoll vertrauenswürdiger Händler in die verschiedenen Länder vertrieben und können nicht auf klassische Weise erworben werden.
Klingelt man beim Weingut im beschaulichen 360-Einwohner-Dörfchen Vosne-Romanée, bleiben die Tore selbst den zahlungskräftigsten Kunden verschlossen. Und hat ein Händler das Glück, ein paar Kisten von der DRC zugeteilt zu bekommen, ist die verfügbare Menge des Spitzenprodukts nochmals stark beschränkt: Pro Flasche Romanée-Conti muss eine Zwölferkiste mit elf anderen Weinen der Domaine abgenommen werden.
Perfekte Grand Cru Lage für Pinot Noir
Jeder Weinliebhaber, der einmal im Leben die Gelegenheit zu einer DRC-Verkostung hatte (und sei es nur ein relativ „günstiger“ Wein des Hauses wie der Échezeaux), berichtet von einem magischen Moment. Unglaublich komplexe, vielfältige Aromen kreieren laut Experten die perfekte Verkörperung der anspruchsvollen Rebsorte Pinot Noir, welcher sich die Domaine mit Ausnahme des Montrachet ausschließlich widmet.
Spitzenweingüter auf der ganzen Welt produzieren beeindruckende Pinot Noirs, aber nur hier, auf den Grand-Cru-klassifizierten Feldern um Vosne-Romanée, spielen dutzende Faktoren für das unübertroffene Top-Resultat zusammen. Von der filigranen Selektion jeder einzelnen Beere bis zum hohen Alter der Rebstöcke, das beim Romanée-Conti 53 Jahre beträgt, realisieren die Inhaber Weinbau in Vollendung.
Dass der Romanée-Conti an der Spitze des DRC-Sortiments steht, hängt mit seinem enormen Prestige ebenso zusammen wie mit seiner optimalen Lage. Der leicht ansteigende Osthang in 260 bis 280 Metern über dem Meeresspiegel liefert die beste Symbiose aus gutem Boden und günstigem Klima, die sich der empfindliche Pinot Noir auf dem gesamten Globus erträumen kann.
In durchschnittlichen Jahren liefert das Grand Cru rund 5.500 Flaschen, was circa 25 Hektoliter pro Hektar entspricht.
Letzter seiner Art: Der Jahrgang 1945
Nicht jedoch im Rekord-Jahrgang 1945. Zwar sorgt die große Hitze für reife Trauben mit extremer Aromen-Konzentration, doch Frost und Hagel reduzieren die Ernte auf magere 600 Flaschen. Der mikroskopische Ertrag hat einen zusätzlichen Grund: Nach der Reblaus-Katastrophe, die ab 1867 ein beispielloses Desaster für den internationalen Weinbau darstellt, schwenken die meisten Winzer im Burgund (und im Rest der Welt) schnellstmöglich auf veredelte Reben mit höherer Resistenz gegen den Schädling um.
In Romanée-Conti hält man jedoch möglichst lange, nämlich bis zum Jahr 1945, an den traditionellen Reben fest und nimmt niedrige Erträge in Kauf. Nach der 1945er-Lese werden alle Rebstöcke des prominenten Weinbergs ausgerissen, es erfolgt eine Neubepflanzung und erst nach siebenjähriger Pause kann im Jahr 1952 der nächste Romanée-Conti in den Keller gebracht werden. Schnell wird der 1945er-Jahrgang zum sagenumwobenen „Unicorn-Vintage“, was auch Betrügern nicht entgeht.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte versuchten viele Trickser, den wertvollen Wein zu verkaufen und nutzten dafür detaillierte Etiketten-Fälschungen. Fachleute vermuten, dass es sich beim 1945er Romanée-Conti proportional um den am häufigsten gefälschten Wein des 20. Jahrhunderts handelt.
Tausende Flaschen sind im Umlauf, teils sogar in Magnum-Größen und anderen Abfüllungen, die 1945 gar nicht hergestellt wurden. Will man heute eine Wertermittlung für den Wein durchführen, ist das Risiko eines Duplikats groß, weshalb die einwandfreie Provenienz doppelt und dreifach geprüft werden muss.
Perfekte Lagerung sorgt für Rekordpreis
Die 2018 bei Sotheby’s versteigerten Rekord-Flaschen des 1945 Romanée-Conti konnten ihre Preise von 558.000 beziehungsweise 496.000 Dollar nur erreichen, weil sie neben allen beeindruckenden Fakten zur DRC und dem Jahrhundert-Jahrgang eine perfekte Historie mit optimaler Lagerung aufweisen.
Ist ein Wein beinahe 80 Jahre alt, machen kleinste Differenzen von Temperatur bis Luftfeuchtigkeit den Unterschied zwischen aromatischer Perfektion und müdem Essig. Nicht umsonst sagen Experten, bei alten Weinen würden keine guten Jahrgänge, sondern nur noch gute Flaschen existieren. Die beiden Rekord-Weine überdauerten ihre Jahrzehnte unberührt im Keller des Maison Joseph Drouhin, das 1880 gegründet wurde und heute zu den größten wie angesehensten Produzenten des Burgunds zählt.
Von 1928 bis 1964 ist Maurice, der Vater des heutigen und weit über 80-jährigen Inhabers Robert Drouhin, der exklusive Vertriebshändler für die Weine der DRC in Frankreich und Belgien. Insgesamt lässt die Maison Drouhin auf der Sotheby’s-Auktion in New York 100 Flaschen mit einem Gesamtwert von 7,2 Millionen US-Dollar versteigern.
Plätze Zwei und Drei: Von Kalifornien bis Bordeaux
Will man wertvollen Wein verkaufen, lohnt sich auch ein Blick ins kalifornische Napa Valley: Dort eröffnet das Kult-Weingut Screaming Eagle im Jahr 1992 seine Pforten und produziert den ersten Jahrgang seines Cabernet Sauvignon „Screaming Eagle 1992“, der nur acht Jahre später für satte 500.000 Dollar (6-Liter-Flasche) auf einer Charity-Auktion in der kalifornischen Heimat versteigert wird.
Wie die DRC, zeichnet sich Screaming Eagle durch extrem beschränkte Produktionsmengen aus. Das Weingut gilt als teuerster Produzent Amerikas und ist berüchtigt für seine jahrzehntelange Warteliste.
Auch der prominente 1945 Château Mouton-Rothschild aus dem Bordeaux spielt in der obersten Liga, wenn es um die Wertermittlung von Wein geht. Der seltene Jahrgang wurde 2006 für 310.000 Dollar versteigert, allerdings auch in einer 6-Liter-Flasche.
Folglich sind die Plätze Zwei und Drei trotz ihrer enormen Auktionspreise auf den Liter gerechnet deutlich günstiger als der legendäre 1945 Romanée-Conti. Ob der ikonische Burgunder jemals wieder auf dem Markt landet, weiß niemand – und falls doch, hat er gute Chancen, als erster Millionenwein in regulärer Flaschengröße in die Geschichte einzugehen.
*Bild-Quellen: wikipedia.org