43,2 Millionen Dollar: Wertvollstes Manuskript aller Zeiten
Mit einem Auktionspreis von 43,2 Millionen US-Dollar ist die Erstausgabe der US-Verfassung das teuerste jemals versteigerte Objekt der weitgefassten Kategorie „Bücher/Manuskripte“ und zugleich das wertvollste historische Dokument aller Zeiten.
Unter den Hammer gerät das sechsseitige Schriftstück am 18. November 2021 bei Sotheby’s, wo zwei Bieter über acht Minuten hinweg einen erbarmungslosen Kampf führen: Einerseits das Crowdfunding-Projekt „ConventionalDAO“, das sich mit über 17.000 Investoren eine öffentliche Zurschaustellung des Dokuments zum Ziel gesetzt hatte, andererseits der Hedgefonds Citadel unter Milliardär Kenneth Griffin. Den Sieg trägt der Investmentfonds davon.
Experten zufolge handelt es sich um eines von nur 13 verbleibenden Exemplaren jenes Originaldokuments, das 1787 an die Delegierten des Verfassungskonvents übergeben wird und den ersten endgültigen Text der bis heute am längsten fortbestehenden Regierungscharta der Welt markiert.
Versteigerungen der Originalausgabe fanden seit ihrem Druck vor über 235 Jahren extrem selten statt. Das vorliegende Rekord-Exemplar ist eines von zwei Stücken in Privatbesitz und gehörte vor seiner jüngsten Auktion der US-Sammlerin Dorothy Tapper Goldman, die es von ihrem 1997 verstorbenen Mann Howard S. Goldman, einem New Yorker Immobilien-Tycoon und bekannten Kollektor historischer Dokumente, übernommen hatte.
Der Endpreis von 43,2 Millionen Dollar ist eine Überraschung; Sotheby’s hatte im Voraus lediglich einen Schätzwert von 15 bis 20 Millionen Dollar angegeben.
Entstehung einer Nation: Vom Kontinentalkongress zum Verfassungskonvent
Die ersten Jahre der jungen USA sind von Krieg und Chaos geprägt. Nachdem 1775 der Unabhängigkeitskrieg ausbricht, in dem sich die 13 jungen Kolonien von der britischen Großmacht lösen, folgen am 4. Juli 1776 die legendäre Unabhängigkeitserklärung, 1777 die Bildung der Konföderation und erst 1783 der Frieden mit den Briten.
Zu diesem Zeitpunkt sind die USA noch keine starke Macht, sondern ein loser Staatenbund mit dem sogenannten Kontinentalkongress als schwacher Zentralregierung. Diese rudimentäre Regierung darf beispielsweise keine Steuern erheben und kann weder auf die Unterstützung einer ausführenden Gewalt noch einer Rechtsprechung zählen.
Lediglich die Vorläufer einer Verfassung, die sogenannten Konföderationsartikel von 1781, existieren nach Friedensschluss. Um diese Instabilität in ein starkes, handlungsfähiges Staatengebilde zu verwandeln, beschließen die Staaten mit Genehmigung des Kontinentalkongresses die Bildung des Verfassungskonvents, der vom 25. Mai bis 17. September 1787 im Pennsylvania State House in Philadelphia tagt.
Unter dem Vorsitz George Washingtons entwerfen die Delegierten, unter denen sich Gründerväter wie Benjamin Franklin oder James Madison befinden, eine komplett neue amerikanische Verfassung. Zentrale Streitpunkte sind die Fragen, wie die Gewaltenteilung im Detail umgesetzt werden soll und auf welche Weise die Macht zwischen unterschiedlich großen Bundesstaaten aufgeteilt werden soll.
Am 17. September 1787 erfolgt die Unterzeichnung der US-Verfassung, nachdem Benjamin Franklin in einer berühmten Rede betont, dass keine Verfassung perfekt sein könne und zusätzliche Debatten keine Verbesserung mehr erzielten.
Recht, Gesetz, Gewaltenteilung: Die US-Verfassung im Porträt
Die fertige US-Verfassung umfasst eine Präambel (feierliche Einleitung) und sieben Paragraphen, die als Eckpfeiler des amerikanischen Staates fungieren. Stark beeinflusst von europäischen Gesetzestexten wie der „Magna Carta“ (1215) und der englischen „Bill of Rights“ (1689), skizziert die „Constitution“ zentrale Bestimmungen wie:
Die Gewaltenteilung:
Während der Kongress (bestehend aus dem Senat und dem Repräsentantenhaus) die Gesetze macht, ist die Exekutive (Präsident, Vizepräsident etc.) für die Ausführung verantwortlich und der Supreme Court übernimmt die Rechtsprechung gemäß der US-Verfassung.
„Amendments“:
Die Verfassung kann durch Erweiterungen geändert werden. Bereits kurz nach Eintreten der US-Verfassung werden im Jahr 1791 mit der „Bill of Rights“ die ersten zehn Erweiterungen hinzugefügt, unter denen sich bekannte Gesetze wie das Recht auf Waffenbesitz (2nd Amendment) befinden.
Souveränität der Staaten:
US-Bundesstatten können eigene Gesetze erlassen, sofern sie mit der US-Verfassung übereinstimmen. Zudem wird das noch heute angewendete Wahlverfahren (Prinzip der Wahlmänner) festgeschrieben.
Nur 500 Exemplare werden gedruckt
Fakt ist: Ohne die Constitution von 1787 und den Verfassungskonvent würden die USA in ihrer heutigen Form wahrscheinlich nicht existieren. Gegen Ende des historischen Zusammentreffens, am 15. September 1787, bestellt der Konvent 500 Exemplare des dritten und endgültigen Entwurfs der US-Verfassung bei der Druckerei Dunlap & Claypoole, die 1778 zur offiziellen Kongress-Druckerei ernannt wird und zuvor bereits die ersten Exemplare der Unabhängigkeitserklärung von 1776 auf Papier bringt.
Ziel der Kopien: Sie sollen an die Delegierte des Verfassungskonvents sowie Mitglieder des Kontinentalkongresses verteilt werden.
Was ebenso historisch klingt, wie es ist, wird von vielen der Teilnehmer jedoch nicht als Schatz gehütet: Zahlreiche Exemplare des ersten Drucks werden an andere Personen weitergegeben (Washington und Franklin persönlich versenden einige Stücke), enden als Vorlagen in Kopiergeschäften und verschwinden im Laufe der Jahre, sodass heute, über 200 Jahre später, nur noch 13 bekannte Kopien des Dokuments existieren.
Wer antiquarische Bücher verkaufen möchte und eine derartige Seltenheit, gepaart mit der größten nur vorstellbaren geschichtlichen Bedeutung antrifft, darf zu Recht Rekordpreise erwarten.
Faltschachtel mit prominenten Signaturen inklusive
Lediglich zwei Kopien der Erstausgabe werden vor dem Jahr 2021 versteigert: Eine im Jahr 1964 vom Auktionshaus Parke-Bernet, die sich bis heute im Independence National Historical Park in Philadelphia befindet, die zweite (das aktuelle Rekord-Exemplar), als sie 1988 für 165.000 US-Dollar an Harry Goldman verkauft wird. Der neue Besitzer Kenneth Griffin, milliardenschwerer CEO des Hedgefonds Citadel, bekommt unterm Strich jedoch das beeindruckendste Gesamtpaket überreicht.
So wird die sechsseitige Originalausgabe der US-Verfassung, gedruckt auf 409 x 255 mm großes, feines Whatman-Papier mit Wasserzeichen, in einer blauen Faltschachtel geliefert, deren Deckel auf der Innenseite mit einer Vielzahl prominenter Signaturen überzogen ist. Wir wissen, dass viele antiquarische Bücher ihren Wert durch Unterschriften gewinnen, aber das Aufgebot dieser Faltschachtel ist legendär.
- Die US-Präsidenten Jimmy Carter und Bill Clinton.
- Mehrere Mitglieder des Supreme Courts vom obersten Richter John Roberts bis zu den stellvertretenden Richtern Antonin Scalia, Ruth Bader Ginsburg, Clarence Thomas, John Paul Stevens, Anthony Kennedy, David Souter, Stephen Breyer und Samuel Alito.
- Der Kongressabgeordnete John Lewis und Senator Orrin Hatch.
- Gouverneur Ed Rendell, Rechtswissenschaftler Laurence Tribe, Schauspieler Ossie Davis und Bürgerrechtlerin Ruby Dee.
Außerdem befindet sich in der Schachtel das Programm eines Abendessens zu Ehren des 106. Kongresses des US-Senats, das am 1. Dezember 1989 im Gebäude des Obersten Gerichtshofs stattfindet, unterschrieben vom späteren US-Präsident Bill Clinton und Vizepräsident Al Gore.
Der neue Besitzer scheint von der Idee des Gegenbieters „ConventionalDAO“ inspiriert zu sein und hat sich ebenfalls für eine öffentliche Präsentation des Dokuments entschieden. Verliehen hat Kenneth Griffin die US-Verfassung an das öffentliche, kostenlos zugängliche Crystal Bridges Museum of American Art in Bentonville, Arkansas.
Platz 2: Zhao Mengfus Briefe
Sie denken, die Erstausgabe der US-Verfassung sei ein altes Werk? Keine falsche Annahme, doch gegen Platz 2 der teuersten Schriftstücke ist es beinahe ein frischer Druck.
Die Briefe des chinesischen Malers und Kalligraphen Zhao Mengfu aus der Yuan-Dynastie (1271-1368) wurden am 19. November 2019 beim Auktionshaus China Guardian in Peking für umgerechnet 38,2 Millionen US-Dollar versteigert. Es handelt sich um zwei im Set versteigerte Briefe, die an Mengfus Freund Guo Tianxi gerichtet sind.
Während der erste Brief von ambivalenten Gefühlen im Kontext eines Kaiserbesuchs und Interessenkonflikten zwischen Freunden berichtet, erzählt der zweite von Mengfus Mitgefühl, als seine Freunde in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken sowie der Einsamkeit, die er in der Hauptstadt empfindet. Wie wenige andere Manuskripte und antiquarische Bücher, die einen Wert jenseits von Gut und Böse erreichen, profitieren die Schriftstücke von ihrem herausragenden Erhaltungszustand.
Platz 3: Handgeschriebenes Manuskript des Buches Mormon
Im Jahr 1830 persönlich von Joseph Smith, dem Gründer der Kirche Christi, zusammen mit seinem Weggefährten Oliver Cowdery von Hand niedergeschrieben, ist das Buch Mormon die teuerste jemals verkaufte, religiöse Schrift.
Satte 35 Millionen Dollar bezahlt die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage im Jahr 2017, um das Buch von der Gemeinschaft Christi zu erwerben. Ein Deal zwischen Kirche und Kirche. Es handelt sich nicht um das Original-Manuskript, sondern um das sogenannte „Printer’s Manuskript“, eine handgeschriebene Kopie der Originalausgabe zum Zwecke des späteren Drucks.
Das Buch Mormon enthält hauptsächlich Schriften von Propheten, die auf dem amerikanischen Kontinent lebten und das Fundament der mormonischen Religion bildeten. Wir sind gespannt, wann man in Zukunft antiquarische Bücher verkaufen kann, die diesen Rekord übertreffen werden.
Um 1510 von dem italienischen Universalgelehrten niedergeschrieben, wurde es 1994 auf einer Christie’s-Auktion für 30,8 Millionen Dollar (heute ca. 52 Millionen Dollar) an Bill Gates versteigert.