Kein Filmaccessoire ist teurer
Am 26. Oktober 2017 wird die originale Rolex Daytona Ref. 6239 von Paul Newman bei Philipps in New York für 17.752.500 Dollar versteigert, was sie auf Schlag zur teuersten Rolex der Welt macht. Mit Abstand. Auf Kamera ist der 12-minütige Bieterkampf festgehalten, der bereits mit einem 10-Millionen-Paukenschlag beginnt und am Ende von einem anonymen Bieter am Telefon gewonnen wird.
Seitdem hält die für Laien unscheinbare Edelstahluhr einen zweiten Rekord: Noch vor Marilyn Monroes Cocktailkleid aus „Das verflixte 7. Jahr“ ist die Daytona das wertvollste Filmaccessoire aller Zeiten. Doch Paul Newman trägt den Chronographen nicht nur am Set: Auch während seiner Teilnahmen am 24-Stunden-Rennen von Le Mans und im Privaten begleitet den Superstar dieselbe Uhr über viele Jahre hinweg.
Laut Aurel Bacs, dem Auktionator der legendären Versteigerung von 2017, leistet Paul Newman die Daytona zwischen 1969 und 1984 „so ziemlich jeden Tag“ Gesellschaft. Diese enge, persönliche Verbindung zum Privat- und Berufsleben der zehnfach Oscar-nominierten Koryphäe erklärt den unglaublichen Preis der Schweizer Uhr. Bevor Newman dem Zeitanzeiger seine Berühmtheit verleiht, hat das Rolex-Modell jedoch keinen leichten Start.
Unbeliebt mit „Exotic“-Zifferblatt: Die Seltenheit der Paul Newman Daytona
Auf den Markt kommt die Rolex Cosmograph Daytona im Jahr 1963. Benannt nach dem Motorsport-Mekka Daytona in Florida, ist sie mit ihrem Chronographen zum Zeitstoppen und ihrer Tachymeterskala zur Berechnung von Durchschnittsgeschwindigkeiten speziell auf die Bedürfnisse von Rennfahrern zugeschnitten.
Die erste Version trägt die Referenznummer 6239, wird zwischen 1963 und 1969 produziert und erscheint in zwei Zifferblatt-Designs: Der beliebteren, konventionellen Ausführung und dem schwer verkäuflichen „Exotic Dial“, das Newman später tragen sollte. Unglaublich: Zum Verkaufsstart kosten die Uhren müde 210 US-Dollar (heutige Kaufkraft: ca. 2.000 Dollar) plus Steuern.
Aufgrund der mäßigen Nachfrage werden schätzungsweise nur 2.000 bis 3.000 Exemplare des exotischen Zifferblatts produziert, wodurch es mindestens um den Faktor 20 seltener im Vergleich zur regulären Daytona Ref. 6239 ist.
Die Unterscheidungsmerkmale sind subtil. Eine „echte Newman“, wie in der Rolex-Szene baugleiche Daytonas zu den Original-Modellen des Schauspielers genannt werden, differenziert sich ausschließlich im Zifferblatt von anderen Varianten der Ref. 6239.
Vor allem der außenliegende Minutenring in Kontrastfarbe und die abweichenden Totalisatoren (Hilfszifferblätter) mit ihren „Lollipop“-Indizes sowie einer anderen Minuteneinteilung stechen beim „Exotic Dial“ ins Auge. Auch seine kunstvollere Typographie im Art-déco-Stil hebt das Newman-Design von den regulären Versionen ab. Insgesamt wird das exotische Zifferblatt in vier Farbvarianten produziert; Paul Newman persönlich trägt eine Daytona mit weißem Hintergrund und schwarzen Totalisatoren.
Der millionenteure Zeitanzeiger des Rennfahrers ist kein Einzelstück, sondern wurde auf klassische Weise im Laden erworben. Ein kleines Detail verwandelt die „eine“ Newman Daytona aber letztendlich doch in ein Unikat.
Erst im Rampenlicht, dann verschollen: Das „Bernsteinzimmer der Uhrenwelt“
Dieses Merkmal ist eine romantische Geste von Paul Newmans Frau, der erfolgreichen Hollywood-Schauspielerin Joanne Woodward: Als sie den Chronographen schätzungsweise im Jahr 1968 oder 1969 für ihren Mann kauft, lässt sie in den Gehäuseboden der Daytona die Worte „Drive Carefully“ („Fahr vorsichtig“) inklusive der Unterschrift „Me“ („Ich“) eingravieren.
Passende Worte in einer Zeit, als Newman zusätzlich zu seiner Schauspieler-Karriere in den Rennsport einsteigt, welcher zu Beginn der 1970er-Jahre nicht von höchsten Sicherheitsstandards geprägt ist.
Fortan trägt er das Geschenk seiner Frau nahezu permanent, was der Öffentlichkeit nicht entgeht: An Filmsets, beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans und auf Magazin-Covers wird Paul Newman stets mit seiner Daytona abgelichtet. Langsam beginnt die Rolex, im Wert zu steigen.
Ihren Durchbruch als Uhren-Prominenz feiert sie im Laufe der 1980er-Jahre, als eine Gruppe italienischer Sammler die Daytona in einem Lied thematisiert und ihr fortan den Beinamen „Paul Newman“ verleiht.
Ab 1984 verschwindet die Daytona plötzlich von Newmans Handgelenk, was heiße Gerüchte in der Fachwelt auslöst. Das Objekt der Begierde wird zum „Bernsteinzimmer der Uhrenwelt“ und jeder stellt sich nur eine Frage: Wo ist Paul Newmans Daytona? Nicht nur Uhrenfans, sondern auch Motorsport-Enthusiasten, Filmfreaks und Sammler amerikanischer Memorabilien sind auf die Newman-Daytona fixiert.
Die Preise baugleicher Modelle schießen in astronomische Höhen. Selbst nach dem Tod Paul Newmans im Jahr 2008 herrscht noch keine Gewissheit. Erst 2017 folgt die Auflösung des Rätsels: Paul Newman verschenkte den Chronographen 1984 an James Cox, den damaligen Freund seiner Tochter Nell.
Als er die Uhr verkaufen möchte, entschließt sich Cox, einen Großteil der Erlöse an die Nell Newman Foundation zu spenden, die sich wohltätig in diversen Bereichen von Bildung bis Tierschutz engagiert. Eine Entscheidung, die sicherlich im Sinne ihres ikonischen Vorbesitzers gewesen wäre.
Märchenhafte Karriere und großes Herz: Wer war Paul Newman?
Ohne die fabelhaften Lebensleistungen Paul Newmans wäre die Daytona ein gewöhnlicher Chronograph geblieben. 1925 in Shaker Heights, Ohio geboren, dient der scheinbare Alleskönner während des Zweiten Weltkriegs als Soldat bei der US Navy und feiert in den 1950er-Jahren seinen Durchbruch als Hollywood-Schauspieler.
Insgesamt zehn Oscar-Nominierungen während seiner Karriere sind eine Hausnummer, zumal der charismatische US-Amerikaner gleich mehrere der Academy Awards gewinnt: 1986 für sein Lebenswerk, ein Jahr später als bester Hauptdarsteller in „Die Farbe des Geldes“ und 1994 für sein soziales Engagement. Zeitlebens wirkt Newman als großer Philanthrop, der sämtliche Gewinne seines Lebensmittelunternehmens „Newman’s Own“ für wohltätige Zwecke spendet – bis 2021, zwölf Jahre über seinen Tod hinaus, sind das über 500 Millionen Dollar.
Auch die Gründung des „Safe Water Networks „, das Bedürftigen sauberes Trinkwasser ermöglicht, geht auf Paul Newmans Konto. Parallel zu seinem Wirken als Weltklasse-Schauspieler, Filmregisseur und Produzent startet er eine erfolgreiche Karriere als Rennfahrer und erreicht beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1979 zusammen mit dem deutschen Rennfahrer Rolf Stommelen den zweiten Rang.
Auch andere „Newman Daytonas“ steigen rasant im Wert
Angesichts dieses Gesamtwerks verwundert es weniger, dass die Uhr, die Newman auf dem Höhepunkt seiner Karriere täglich über Jahre begleitet, heutzutage Millionen wert ist. Doch auch andere „Newman Daytonas“ sind preislich in astronomische Regionen vorgedrungen.
Will man die Original-Referenz 6239 in der exakten Farbe wie Newmans Exemplar kaufen, sind Preise jenseits der 200.000 Euro einzuplanen – nicht schlecht für einen Edelstahl-Chronographen. Neben der 6239 haben sich im Laufe der Jahre auch andere Referenzen als „Newman Daytonas“ etabliert, weil sie entweder dem Schauspieler gehört haben oder das legendäre „Exotic“-Zifferblatt besitzen.
Die Nummer Zwei des Newman-Rolex-Universums ist die Daytona 6263 „Big Red“, die ebenfalls von Newman persönlich getragen wird und in der heutigen Wertermittlung für Uhren mindestens 70.000 Euro erreicht. Für einen Edelstahl-Chronographen, wohlgemerkt. In der Fachwelt herrscht Einigkeit darüber, dass sich folgende Daytona-Referenzen mit dem Namen Newmans schmücken dürfen, sofern sie das „Exotic“-Zifferblatt besitzen:
- 6239 (Das Original)
- 6241 (mit schwarzer Acryl- statt Edelstahl-Lünette)
- 6262 und 6264 (die letzten Referenzen mit dreifarbigem Zifferblatt)
- 6263 und 6265 (zweifarbiges Zifferblatt)
„Unicorn“ und „Bao Dai“: Plätze 2 bis 3 der teuersten Rolex-Modelle
Wer die zweitteuerste Rolex-Uhr verkaufen darf, wird ebenfalls Millionär: Die Daytona Ref. 6265 „Unicorn“, 2018 bei Philipps für rund 5,9 Millionen Dollar auktioniert, ist im Gegensatz zur Newman-Daytona ein absolutes Unikat.
Während die übrigen Varianten derselben Referenz aus Stahl oder Gelbgold bestehen, setzt das „Einhorn“ auf das gepflegte Understatement von Weißgold. Mit dem schwarzen „SIGMA“-Zifferblatt versehen, sticht die 1970er-Edition vor allem dank ihres spektakulären Armbands ins Auge: Wie das Gehäuse aus Weißgold gefertigt, erinnert es an die Rinde einer Birke und ist mit keinem anderen Armband der Rolex-Geschichte vergleichbar.
Ursprünglich im Auftrag eines deutschen Einzelhändlers am Lederband bestellt, gerät das Einzelstück später in die Hände des Uhrensammlers John Goldberger, der die Daytona mit ihrem legendären Weißgold-Bracelet ausstattet.
Auch die Nummer Drei des Rolex-Universums schneidet in der Wertermittlung für Uhren nicht schlecht ab: Die Rolex 6062 aus dem Besitz des letzten vietnamesischen Kaisers Bao Dai.
Warum die Seltenheit 2017 für 5 Millionen Euro versteigert wird, erklärt ihre Geschichte: 1954 schlendert der Kaiser am Rande einer Genfer Konferenz zu einem Uhrenhändler, fragt nach der seltensten, wertvollsten Rolex aller Zeiten und erwirbt die gelbgoldene 6062 mit schwarzem Zifferblatt und Diamantindizes. Die größte Besonderheit: Der Zeitanzeiger ist mit einem komplexen Jahreskalender inklusive Mondphase versehen, was im funktional eher simpel gehaltenen Rolex-Universum eine absolute Rarität darstellt. Experten schätzen, dass weltweit nur drei Exemplare in exakt dieser Konfiguration existieren.
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